Bike Addicted

Der Bock Blog aus dem Taunus!

Motorradtest: Honda Africa Twin 2016

Wir testen die Africa Twin

Der diesjährige Honda Pressetag stand voll und ganz unter dem Motto „Adventure“. Wie bereits im Vorjahr haben die Hondas natürlich wieder die gesamte Produktpalette zum Pressetag mitgebracht. Allerdings war das Hauptaugenmerk aller Anwesenden fast ausschließlich auf die Afrikanerin gerichtet. Schon im Vorjahr waren alle ganz heiß auf die Neuauflage von Hondas Legenden-Bike gewesen, da hüllte man sich aber noch in geheimnisvolles Schweigen.

Ich muss gestehen, hätte man die Twin letztes Jahr auf dem Pressetag präsentiert, ich vermute ich hätte ihr nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt. Hatte ich im Vorjahr meinen Fokus noch fast ausschließlich auf Vollverkleidete und Naked-Bikes gelegt, hat sich mein Interesse in dem vergangenen Jahr doch arg gewandelt, oder eher gesagt, erweitert. Durch meine Berührungen mit dem Supermoto-Sport und meinem seit Kindheit bestehendem Interesse an den Geschehnissen rund um die Dakar war auch mein Interesse am Offroad-Bereich gewachsen.

Umso mehr freute ich mich nun darauf, dass dieser Pressetag ganz im Zeichen von Offroad und Adventure stand und man sich dafür auf der Enduro- und Cross-Strecke in Bauschheim traf. Der Standort war für die anderen Bikes leider nicht der optimalste, denn Bauschheim liegt im Ried und da gibt’s eigentlich nur gerade Straßen, schnöde Blitzer und Autobahn drumrum. Aber da sich an der übrigen Produktpalette meines Wissens nichts gravierendes geändert hatte, wollte ich mich eh mehr auf die Twin und das Offroad-Fahren konzentrieren, zumal dies meine erste richtige Offroad-Erfahrung sein würde. Und aufgrund meiner besonderen gesundheitlichen Umstände (Zum Pressetag befand ich mich Anfang des 4. Monats schwanger :-)) war ich doppelt aufgekratzt, wie ich mit den beiden Situationen in Kombination wohl umgehen würde und ob ich das überhaupt noch packe. Damit es hier zu keiner hormongesteuerten Beurteilung kommt, hab ich natürlich den Männe wieder dabei gehabt, also keine Angst, Jungs.

Bei der Ankunft auf dem Gelände wurden wir auf jeden Fall erst mal super herzlich von den Hondas (nein, nicht die Bikes, die Mitarbeiter von Honda) empfangen. Ebenfalls herzlich war die Begrüßung mit den Bloggerkollegen, die ich teilweise seit dem Vorjahr nicht mehr gesehen hatte.

Der Männe ist ja ein absolut eingefleischter und bekennender Rennmaschinenfahrer. Er äugte auch eher schon rüber zu der Fireblade und ihren Kolleginnen, in Anbetracht der Umgebung, einer nahenden Regenfront und eine Männer natürlich begleitende Neugier, lies er sich dann aber doch überreden, dass wir mal zuerst die Twins testen. Super war, dass man nicht nur ein oder zwei Bikes, sondern gleich zehn Twins für uns bereitgestellt hatte. Eine Maschine auch ausgestattet mit dem DCT-Getriebe, hierzu gleich mehr. Ebenso stand uns ein Instruktor zur Seite, der uns (teilweise absolute Newbies im Offroad-Bereich) die Strecke erklärte und wie die Bikes in den jeweiligen Bereichen zu handeln sind.

Was ich am Anfang noch mit einer hochgezogenen Augenbraue bedachte, muss ich im Nachhinein für mich als das absolute Highlight deklarieren. Das DCT-Getriebe. Jajaja, ich weiß genau was jetzt jeder denkt – so n Scheiß brauch‘ ich nicht – ich will mir von der Maschine nicht vorschreiben lassen, wann und wie ich zu schalten habe – das raubt einem doch das eigentliche Fahrgefühl und die Freiheit, die Biken verkörpert – wenn ich was mit Automatik fahren will, kann ich auch n Roller nehmen.

Falsch.

Auf der Straße mag das bei den Meisten noch zutreffen. Beim Offroad, insbesondere, wenn es die ersten Versuche sind, ist das DCT eine mega Hilfe und ich kann wirklich jedem nur empfehlen, diese Einzigartigkeit, die es bisher nur bei Honda gibt, einmal auszuprobieren.

Bei meiner ersten Pacour-Umrundung mit der Schaltmaschine war ich noch so sehr damit beschäftigt, das Bike nicht abzuwürgen, dass ich den richtigen Gang habe, damit umzugehen, wenn das Hinterrad durchdreht oder driftet, dass ich überhaupt nicht dazu kam, auf das zu achten, was der Instruktor uns eigentlich nahe gelegt hat. In den Kurven die Füße oben zu lassen, sich hinstellen, wenn es bergauf geht, leicht nach hinten gehen, wenn es bergab geht.

Tja und so kam es dann natürlich, dass ich den Anschluss an die Gruppe verlor und beim ersten „richtigen“ Berg ein Schisserchen in der Hose hatte und nur dachte – „Fuck eine Wand, da sind die niemals hochgefahren.“ Also nahm ich die nicht so steile Möglichkeit rechts neben der „Wand“ wahr und stand kurz darauf halb im Trial-Bereich, gefolgt von zwei armen ahnungslosen Kollegen, die mir vertrauensvoll hinterhergefahren sind – Upsi. Etwas hilflos eierten wir uns zurück auf die eigentliche Strecke und zu meinem Entsetzen war dann da „ein Abgrund mit über 90 Grad Gefälle“ (sah zumindest so aus, ich schwöre). Noch ein Schisserchen wanderte Richtung Hose – Der Rest der Gruppe war schon wieder im Start-Ziel-Bereich und wunderte sich, wo wir übrigen Drei geblieben sind. Während meine beiden Kollegen problemlos den „Abgrund“ bezwangen, haderte ich mit meinem Mut und dem Schisserchen in meiner Buchse. Auch die Hilfe des Instruktors wollte mir nicht so wirklich Vertrauen geben und so fuhr er mir das Bike den „Abgrund“ runter.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmal für die Heldentat bedanken. Unten angekommen musste ich jedoch feststellen, dass das Schisserchen ganz schön übertrieben hat, so steil war das von unten gesehen gar nicht. Den Rest der Strecke bekam ich einigermaßen problemlos unter die Räder. Im Start-Ziel-Bereich angekommen, brauchte ich erstmal eine Pause. Ich ärgerte mich total über mich selbst. Während der ganzen Runde habe ich null auf das Bike achten können. Was fand ich positiv, was negativ? Wie soll ich so was Vernünftiges über das Bike sagen können? Na wenigstens kann der Männe dazu noch was sagen. Der eimerte schon das zweite oder dritte Mal über die Strecke und fand ganz offensichtlich mit jedem Mal mehr Gefallen am Offroad-Fahren.

Irgendwann bekam er wohl auch mal das Bike mit dem DCT-Getriebe unter den Hintern. Als er Pause machte, gab er mir den Tipp, dass ich die Strecke nochmal mit der DCT-Maschine fahren sollte. Also Schisserchen zwischen die Backen geklemmt und siehe da – es klappte. Ich bin hin und weg, muss ich gestehen.

Hier nun etwas faktischer:

Die Twin gibt’s mit je 95 PS in drei Ausführungen zu kaufen – als Standard, ABS oder DCT.

Die Unterschiede:

Standard – wiegt 228 Kilo und ist die ganz nackige Variante ohne irgendwelche Extras für den puren Kradisten sozusagen.

ABS – wiegt 232 Kilo und hat als Zusatz ein 2-Kanal-ABS mit abschaltbarem ABS am Hinterrad, eine Traktionskontrolle, sowie eine Aluminium-Unterbodenschutzplatte.

DCT – wiegt 242 Kilo und hat zusätzlich zur ABS-Ausstattung das Doppelkupplungsgetriebe mit Onroad/Offroad-Modi und eine Parkbremse.

Das Gewicht auf dem Papier ist meiner Meinung nach stattlich für eine Enduro. Allerdings bemerkt man die Kilos überhaupt nicht. Die Maschine fühlt sich wirklich leicht an. Auch bei Sprüngen scheint man nicht aufzusetzen.

Etwas verwirrend ist anfangs sicher das Cockpit, denn gerade bei der DCT-Variante gibt es wirklich viele Einstellungsmöglichkeiten.

Wir haben hier zum einen eine 4-stufige Traktionskontrolle, 1, 2, 3 und aus. Honda schreibt dazu: „Mit numerisch ansteigender Einstellung wird die Traktionskontrolle in ihrer Wirkung zurückgenommen. In der Einstellung „Aus“ wird das ABS am Hinterrad speziell für Offroad ­Fahren auf losem Untergrund komplett abgeschaltet, damit der Fahrer nach Bedarf das Hinterrad blockieren lassen kann.“ Weiter haben die 3-Stufen DCT-Sport Modi. „Das DCT­Doppelkupplungsgetriebe stellt im S Modus für sportliche Fahrweise drei Programme für das automatisierte Schaltverhalten zur Auswahl. Im S Modus erkennt das System notwendiges früheres Herunterschalten sowie höheres Ausdrehen der einzelnen Gangstufen. Sollte zusätzlich über jederzeit mögliche manuelle Schaltmanöver ein Gangwechsel angeregt werden (zum Beispiel beim Herunterschalten vor Überholmanövern) kehrt das System über eine intelligente Memory Funktion anschließend in den vorher gewählten S Automatikmodus zurück. Gewählter Modus und eingelegte Gangstufe werden dem Fahrer im Cockpit angezeigt.“ Dann gibt es am Lenker eine Taste für den G Modus. „Bei der Aktivierung der G Funktion wird die Gangwechsel Steuerung in jedem Riding ­Mode für Offroad ­Erfordernisse optimiert. Die intelligente DCT ­Steuerungssoftware erkennt auch steile Auf­ und Abfahrten, wodurch dem Fahrer die Kontrolle zusätzlich erleichtert wird.“

Dem Fahrer stehen im Setup insgesamt rund 80 Programmiermöglichkeiten zur Verfügung. Ob man dafür eine fundierte IT-Ausbildung benötigt, kann ich derzeit nicht beurteilen, kann ich mir aber nicht vorstellen. Für einen Einsteiger ist die Auswahl sicher absolut überfordernd, mit steigender Erfahrung wird hier aber sicher das ein oder andere immer relevanter. Ebenfalls habe ich die Möglichkeit über eine Plus- und Minustaste am linken Lenker selbst zu entscheiden, welchen Gang ich gerade haben möchte. Das alles geht übrigens bei voller Fahrt.
Gerade für mich als Einsteiger bedeutet dieser „Schnickschnack“ eine steile Lernkurve beim Offroad fahren. Man merkt direkt, wie verlässlich die Technik ist. Ob ein driftendes Hinterrad – was einem beim ersten Mal ein mulmiges Gefühl geben kann – ein fieser Hang oder wechselnder Untergrund, ich habe selten so schnell Vertrauen in eine Maschine gefasst. Man möchte mit jeder Runde mehr Drift, weiter und höher springen und am liebsten gar nicht mehr aufhören. Mit steigendem Können kann man die Helferlein ja auch immer weiter zurück nehmen. Abwürgen gibt’s mit dem DCT natürlich auch nicht mehr.
Noch etwas zur Sitzposition: Die Sitzbank ist mit einem Griff um 20 mm höhenverstellbar. Das Bike ist somit sowohl für größere, als auch für kleiner Fahrer super geeignet. Die Sitzhöhe kann damit zwischen 870 und 850 mm variiert werden. Es gibt zur weiteren Regulierbarkeit wohl im Zubehör noch eine abgepolsterte Sitzbank, mit der man auf ca. 800 mm kommt.
Ein Test auf der Straße kam an diesem Tag für mich ehrlich gesagt nicht infrage. Erstens hatte ich mit dem Bike nicht das Bedürfnis auf der Straße zu fahren und zweitens waren mir die umliegenden Straßenverhältnisse einfach zu gerade. Hier verweise ich gerne nochmal auf die Berichte der Kollegen Griesi und Fronc. Um sich ein genaueres Bild machen zu können, sind auch die Berichte von Minya, dem Ernie und den Jungs von Motorradblogger gut zu lesen, denn die Eindrücke sind natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich und auch von den einzelnen Erfahrungsstufen abhängig.
Ich habe fest vor, die Twin nächstes Jahr nochmal unter die Lupe zu nehmen. Honda bietet in Zusammenarbeit mit dem ADAC-Zentrum in Bauschheim ein Offroad-Training an, bei dem man von der Klamotte bis zum Bike alles gestellt bekommt. Jeder hat somit die Möglichkeit das Bike in seiner natürlichen Umgebung zu testen und seine Fähigkeiten im Offroad-Bereich zu erweitern oder überhaupt erstmal zu gucken, ob man Spaß am Offroad fahren hat. Die Termine für 2016 sind wohl leider schon alle ausgebucht, Honda arbeitet aber derzeit noch an eventuellen Zusatzterminen für diese Saison. Die Termine für nächstes Jahr stehen noch gar nicht fest. Nähere Informationen hierzu findet ihr hier.
Wer mit dem Erwerb einer Africa Twin liebäugelt, wird erstmal ernüchtert werden, denn das Bike ist seit Mai bereits bis Oktober ausverkauft und ist derzeit wohl das stärkste Zugpferd in der Honda-Palette.

Fotos: Honda Deutschland und bike-addicted.

Eine Antwort

  1. Jetzt ist mir auch klar wieso Honda sooo laange gewartet hat mit der Veröffentlichung AT, die wollten einfach Dein ganzes Interesse und da Du bisher ’nur‘ mit den Supersportlern geliebäugelt hast mussten sie halt noch warten.
    Die wahren Qualitäten werden die AT’s ihren Fahrern wohl aber erst draußen in der Welt auf Reisen durch die Länder dieser Welt zeigen.
    Grüße und alles Gute (speziell für die nahe Zukunft).

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