Dieses Dreirad verändert alles (oder eben nicht)
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Provence, Mai 2025
115 PS, drei Räder und ein Preisschild von 34.699 Euro – der Can-Am Canyon RedRock will die Motorradwelt aufmischen. Aber ist dieses Hightech-Dreirad wirklich eine Alternative für echte Biker? Ich wurde zum Glamping-Event in die Provence eingeladen, habe das Gefährt auf Herz und Nieren getestet und komme mit überraschend gemischten Gefühlen zurück.

Erster Eindruck: Purer Luxus auf drei Rädern
Eines vorweg: Der Can-Am RedRock ist ein verdammt beeindruckendes Stück Technik. Mit seinem 1330er Rotax-Dreizylinder, der 115 PS bei 7.250 U/min liefert, und einem Drehmoment von 130,1 Nm hat das Ding ordentlich Dampf. Dazu eine Ausstattung, die selbst bei Flaggschiff-Tourern Neidblicke ernten würde: 10,25-Zoll-Touchscreen mit Apple CarPlay, elektronisch geregelte Smart-Shox-Federung, Rückfahrkamera, LED-Beleuchtung und Stauraum ohne Ende (120 Liter!).
Als ich zum ersten Mal aufsteige, fällt mir sofort der extreme Komfort auf. Die Sitze sind wirklich extrem bequem. Wir sind insgesamt um die 300 Kilometer durch die provenzalische Landschaft gefahren und ich hätte easy noch weiterfahren können – ein Punkt, den die meisten Tourer erst mal toppen müssen. Auch der Soziussitz ist überraschend komfortabel, was meine Testbegleitung bestätigen konnte.
Das Fahrgefühl: Vergiss alles, was du übers Motorradfahren weißt
Kommen wir zum Fahren selbst, und hier wird’s interessant. Denn eins muss klar sein: Dieses Ding hat mit Motorradfahren nichts zu tun, außer dass du natürlich die Fußbremse auf der rechten Seite hast und den Gasgriff benutzt.
Der RedRock fährt sich grundlegend anders. Du hast keine separate Vorder- und Hinterradbremse, sondern nur die Fußbremse, mit der du alle drei Räder bremst. Keine Kupplung – das Ding schaltet automatisch runter. Hoch musst du selbst schalten, mit so einer kleinen Wippe am linken Lenkerende. Du kannst auch selbst runterschalten, wenn du willst. Das Ding hat sogar einen Rückwärtsgang mit Rückfahrkamera, was ich ziemlich krass fand. Die Auflösung ist jetzt nicht die allergeilste, aber hey – eine Rückfahrkamera an einem Bike? Das ist schon cool.
Der absolute Game-Changer: Du lehnst dich nicht in die Kurve. Nie. Egal bei welcher Geschwindigkeit, du schlägst links ein und das Ding fährt links – genau wie beim Motorrad, wenn du langsam fährst. Kein Gegenlenken, keine Schräglage – du bleibst die ganze Zeit komplett gerade. Für jeden, der ein Motorrad gewohnt ist, fühlt sich das zunächst völlig falsch an.
Der Knackpunkt: Wenn die Elektronik mitbestimmt
Hier kommt eine interessante Besonderheit des RedRock: Bei zügiger Kurvenfahrt greift die Elektronik aktiv ein. Wenn du mit etwas mehr Tempo in eine Kurve gehst und einen bestimmten Lenkwinkel erreichst, reduziert das System automatisch die Leistung. Du rollst dann sanfter durch die Kurve – ich schätze mit etwa 25-30 km/h. Erst am Kurvenausgang, wenn die Räder wieder gerader stehen, gibt das System wieder Leistung frei.
Das habe ich im Gespräch mit den Can-Am-Ingenieuren thematisiert. Sie erklärten, dass das System noch Feintuning benötigt und in kommenden Updates optimiert werden soll. Für einen Prototyp oder eine frühe Serienversion durchaus verständlich – die Fahrdynamik eines Dreirads muss schließlich anders abgestimmt werden als bei herkömmlichen Bikes. Allerdings sollte man sich dieser Charakteristik bewusst sein: In manchen Situationen fühlt sich der Eingriff etwas abrupt an. Wenn du sportlich in eine Kurve einfährst, das System eingreift und Gas wegnimmt, kann das Handling kurzzeitig etwas ungewohnt sein. Man muss sich einfach daran gewöhnen, dass der RedRock seine eigene Fahrphilosophie hat – und die prioritisiert eindeutig Sicherheit vor maximalem Kurvenspeed.
Offroad: Hier glänzt das Dreirad

Jetzt zum absoluten Highlight: Im Gelände macht dieses Ding verdammt viel Spaß. Wir sind relativ viel Offroad gefahren, ich würde mal so sagen 40 Prozent, und hier zeigt der RedRock seine wahren Stärken.
Der große Vorteil: Dadurch dass du nicht umkippen kannst, juckt es dich wirklich überhaupt nicht, was vor dir passiert – du fährst da einfach drüber. Wir sind durch einen Fluss durchgefahren, durch riesige Pfützen durchgeballert, Zeug, wo ich mit einem normalen Motorrad definitiv nicht durchgefahren wäre. Das hat wirklich enorm Spaß gemacht.
Die elektronischen Helfer sind im Gelände auch sinnvoll, selbst wenn ich mir manchmaletwas mehr Spielraum für kontrollierte Drifts gewünscht hätte. Mit der Kippsicherheit des Dreirads wäre ein leichtes Rutschen durch Kurven durchaus beherrschbar – vielleicht bringt ein zukünftiges Update hier noch mehr Freiheit für erfahrene Fahrer.
Aber das Wichtigste: Du kannst dieses Ding einfach nicht umwerfen. Wir haben es alle probiert, sind drauf rumgesprungen und haben uns von einer Seite draufgeworfen – da passiert gar nichts. Für Offroad-Abenteuer ist der RedRock daher wie geschaffen, besonders wenn du sonst eher vorsichtig unterwegs bist oder das Gelände neu für dich ist.
Display und Extras: High-End ohne Ende
Das Display und die Bedienung des RedRock sind wirklich mega gut. Super klar, du kannst 1000 Sachen einstellen, verschiedene Fahrmodi wie Rally, Allroad, Normal und einen Custom-Modus, in dem du dir Sachen wie Traktionskontrolle, Gasannahme und so weiter selbst einrichten kannst.
Für längere Touren gibt’s zahlreiche Luggage-Options: Koffer, Topcase, und sogar einen textilen Pack-Kram für hinten. Angetrieben wird das Ding übrigens über einen Riemen, nicht über eine Kette – ein weiterer Punkt, der bei der Wartung Pluspunkte bringt.Für längere Kurven oder sanfte Schwünge ist der RedRock echt perfekt. Du kannst richtig schön durchswingen, auch mit ordentlich Speed, und das macht richtig Spaß. Erst wenn’s eng und technisch wird, kommt die Elektronik in die Quere.
Fazit: Eine spannende Alternative für bestimmte Fahrer










Nach dem Test bleibt für mich die Erkenntnis: Der RedRock ist kein Motorrad-Ersatz, sondern eine eigenständige Kategorie mit klaren Stärken und einer definierten Zielgruppe. Für klassische Motorradfahrer, die das typische Bike-Feeling suchen – in die Kurve lehnen, diese körperliche Connection mit dem Motorrad – ist der RedRock wahrscheinlich nicht die erste Wahl. Der Preis von rund 35.000€ ist zudem eine Ansage, auch wenn die Verarbeitung und Ausstattung auf absolutem Premium-Niveau sind. Ehrlich gesagt hätte ich sie auf den ersten Blick sogar noch teurer eingeschätzt.
Die wahren Stärken des RedRock liegen woanders: Er bietet maximalen Komfort auf Langstrecken, unübertroffene Sicherheit durch die Kippsicherheit und eine beeindruckende Geländetauglichkeit, auch für weniger erfahrene Fahrer. Besonders für Paare, die gemeinsam reisen, ist der bequeme Soziussitz ein echter Pluspunkt.
Außerdem bietet er Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr auf zwei Rädern unterwegs sein können, eine Möglichkeit, trotzdem die Freiheit und das Abenteuer des Motorradfahrens zu erleben – nur eben sicherer und mit weniger körperlicher Belastung.
Ich bin gespannt auf die kommenden Software-Updates, mit denen Can-Am die Fahrdynamik weiter optimieren will. Mit etwas mehr Spielraum in den sportlicheren Fahrmodi könnte der RedRock zu einem ernsthaften Konkurrenten für konventionelle Tourer werden – vor allem für alle, die maximalen Komfort und Sicherheit schätzen.
Can-Am Canyon RedRock auf einen Blick:
- Motor: Rotax 1330 ACE (115 PS, 130,1 Nm)
- Getriebe: 6-Gang-Halbautomatik mit Rückwärtsgang
- Ausstattung: 10,25″ Touchscreen, Apple CarPlay, Rückfahrkamera, Smart-Shox-Federung
- Stauraum: 120,6 Liter (mehr als in manchem Kleinwagen!)
- Preis: ab 34.699 € (inkl. MwSt.)
- Verfügbar: ab März 2025
Ich war auf Einladung von Can-Am in der Provence und habe den RedRock ausgiebig auf Asphalt und im Gelände getestet – sogar mit Sozius. Das Glamping zwischen den Testfahrten war übrigens auch nicht schlecht.