Als ich vor ungefähr zwei Monaten auf dem Feldberg zum „Anfahren“ vorbeigeschaut habe, bin ich mit Gerhard ins Gespräch gekommen. Gerhard kommt aus einem benachbarten „Kaff“ und ist seit Jahrzehnten leidenschaftlicher Biker. Aber Gerhard ist auch ein leidenschaftlicher Koch, was sicher seiner saarländischen Herkunft geschuldet ist. 🙂
Als er mir erzählte, dass er für ein Supermoto-Racing-Team kocht, wurde ich hellhörig.
Was ich über Supermoto bis dato wusste und gesehen habe, hat mir schon immer gut gefallen, aber echte Berührungspunkte hatte ich leider nie.
Gerhard lud mich kurzerhand ein, ihn und das Team Geemoto Germany beim nächsten Supermoto-Rennen zu besuchen, damit ich mir mal ein genaueres Bild von dieser Motorsportart machen konnte. Das war am Wochenende des 30./31.05. in Sankt Wendel. Und so fuhr ich dann am Samstag mit meinem Männe ins Saarland. Für diesen Tag waren die freien Trainings und ein Qualifikationslauf geplant.
Ankunft im Fahrerlager – Eine herzliche und offene Atmosphäre
Als wir gegen 13 Uhr in Sankt Wendel ankamen und uns durch den Ort bis in das Industriegebiet durchgewurschtelt hatten, in dem die Fahrerlager stationiert waren, machten wir uns auf die Suche nach dem „Fahrerlager Ü40“.
Dort fanden wir auf einem Firmengelände ein regelrechtes Zeltdorf vor. Sämtliche Teams saßen hier vor Ihren Bussen, Wohnwagen und Zelten, schraubten an ihren Maschinen, ruhten sich aus, oder waren gerade am Essen. Das wirkte schon mal sehr einladend. Ich war erstaunt, dass man einfach so ins Fahrerlager „latschen“ konnte. Es war nichts abgesperrt.
Ungefähr in der Mitte des Lagers fanden wir Gerhard mit seinem Team vor, die ebenfalls gerade am Mittagessen waren. Wir wurden sehr herzlich begrüßt und erstmal allen vorgestellt.
Neben Gerhard, der im Team ja für das leibliche Wohl zuständig ist, waren da noch:
Mark – ihm gehört das Bike und er ist auch gleichzeitig der Mechaniker. Er hat mit einem unglaublichen Fachwissen und viel Hingabe die Maschine selbst aufgebaut. Mark kennt jede Schraube an diesem Bike und hat mir dazu eine Menge Infos zur Verfügung gestellt, die ich den Daten-Fetischisten unter Euch auch nicht vorenthalten möchte. Aber ihr müsst Euch noch bis zum Ende des Artikels gedulden.
Der Fahrer des Bikes ist Phil. Phil ist schon seit Jahren im Supermoto-Sport tätig und fährt in seiner Heimat England auch Motocross. Für die Rennen, die er für Mark fährt, kommt er zusammen mit seiner Frau, seinem Sohn und dessen Freundin extra aus England angereist und die Familie verbringt die Wochenenden auf den Supermotostrecken in ganz Europa.
Und selbstverständlich das Bike, eine TM Racing SMX 300 aus 2014:
Ich war bis jetzt ganz stumpf davon ausgegangen, dass eine Supermoto im Grunde das Gleiche ist, wie eine Crossmaschine, nur mit anderen Reifen und vielleicht ein paar anderen Fahrwerkseinstellungen. Dem ist aber ganz und gar nicht so. Die Bikes sehen sich in er Tat etwas ähnlich, aber wenn man sich so eine Maschine mal live und etwas genauer ansieht, stellt man sehr schnell fest, dass eine Supermoto etwas ganz Eigenes ist.
Klar gibt es so ein Bike auch „von der Stange“, aber oftmals finden sich im Supermoto-Bereich auch Eigenbauten. So auch bei Mark. Bei diesem Bike sind noch der Rahmen und das Motorgehäuse vom Werk, dann hört es aber auch schon fast wieder auf. Alles andere hat er selbst ausgetüftelt, abgeändert und verfeinert. Ob das der Durchmesser der Kolben ist, oder die eigens für das Bike angefertigte Gabelbrücke, die fast so viel kostet, wie meine Rennmaschine… Ja richtig, der Kram ist scheiße teuer.
Wer sowas macht und so viel Geld da rein steckt? Na ist doch klar, hier sind lauter (liebenswert) Verrückte mit Leidenschaft am Werk. Diese Menschen führen alle quasi ein Doppelleben für diesen Sport und stecken jede freie Minute, jeden Cent und einfach alles, was sie geben können da rein.
Nachdem Gerhard, Mark und Phil mich mit Fachinformationen über die Maschine eingedeckt hatten, musste Phil sich für den nächsten Trainingslauf fertig machen. Gerhard organisierte uns noch ein paar Eintrittsbändchen für die Boxengasse und wir liefen los in Richtung Rennstrecke.
Die Rennstrecke von St. Wendel – Ein einzigartiges Erlebnis
Was für die Formel1 Monaco ist, ist für die Supermoto Sankt Wendel. Die Stadt hat eine lange Motorsport-Tradition und pflegt diese bis heute. Mitten in der Stadt ist dann eben mal ein Teil der Straße gesperrt. Entgegen meinem bisherigen Wissen fahren die Jungs und Mädels (hier wird nicht nach Geschlecht getrennt wie im Schullandheim) aber nicht nur auf Asphalt, es geht auch in den Offroad-Bereich. „Öhm, aber geht das denn gut mit den Straßenreifen?“ musste ich unwillkürlich fragen. Ich wurde später visuell darüber aufgeklärt, dass Supermoto mit der mir bisher bekannten Fahrphysik mal eben gar nichts zu tun hat. Gehen tut hier alles. Und das macht schon beim Zuschauen einen Wahnsinns-Spaß.
Als wir in der Boxengasse ankamen, dröhnte gerade eine Gruppe im freien Training an uns vorbei. Scheiß die Wand an – sind die schnell!!! Hier mal ein kleiner Eindruck in Bildern für Euch …
Das sieht so hammergeil aus, dass ich selbst vom Zugucken schon einen Adrenalin-Kick bekam und mich fühlte, als hätte ich gerade den Nikolaus im Kamin erwischt. Ich hätte wirklich nicht gedacht, was einen da live erwartet – Ich war sprachlos. Aber es kommt noch besser.
Im Offroad-Bereich wird einem klar, wo der Frosch die Locken hat. Die fahren aus dem Straßenparcours auf dem Hinterrad an den Offroad-Bereich ran, bremsen hart an, kommen aufs Vorderrad und gehen mit dem Arsch in die Luft, dass man denken könnte, der Arsch überholt gleich alleine. Hubbel, Hubbel, Dreckkurve nach links, Hubbel, Hubbel und Sprung… Ach, ich glaube, es ist besser, ich zeig Euch, was ich mein…
Einblicke ins Teamleben und eine besondere Mitfahrgelegenheit
(gemafreie musik von http://www.minimalstudio.de)
Mark hat mich das netterweise mal probieren lassen… Nee, Wunschdenken 😀
Phil hat sich die Kamera auf den Helm geschnallt und das Team hat mir netterweise das Video zur Verfügung gestellt. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal, für diese beeindruckende Mitfahrgelegenheit.
Die Musik für das Video hat mir die Berliner Firma minimalstudio zur Verfügung gestellt, auch an Euch ein herzliches Dankeschön.
Und fototechnisch habe ich sehr freundliche Unterstützung erhalten von Karsten und rally3.de, vielen Dank auch an Euch, für den Support.
Und hier nochmal die Bikedaten:
Maschine: TM Racing SMX 300 aus 2014
Motorbauart: TM Racing 1 Zylinder 2-Takt
Gabel: Marzocchi 50 mm Closed Cartridge Gabel mit einem Set-up von AWH Suspension und X-Trig Klemme
Federbein: TM-Racing Factory
Bremsen: Brembo-System mit Bremspumpe PR 16 x 16mm CNC gefräst, CNC gefräster Radial Bremsszange mit 32/36 mm Titan Kolben und Racing Bremsscheibe, 320mm
Stoßdämpfer: TM Racing Factory
Räder: PVM 16,5″ vorne und 17″ hinten
Reifen: MH Racing Michelin
Besonderheiten:
Motortuning durch WTH MX Tuning mit Map switch und SM Project Axel Blocks, sowie Set-up und Feintuning durch GEEMOTO Germany
Tagesfazit – Leidenschaft, Adrenalin und Teamgeist
Dieser Sport ist unglaublich spannend und sehr vielseitig. Was mir an dem Trainingstag auch besonders auffiel, die Freundlichkeit und Kollegialität zwischen den Teams. Egal ob Profi oder Freizeitfahrer, jeder hilft hier jedem. Und der Sport ist offen für Jedermann/-frau. Auch die Kleinen fahren schon mit.
Zum Saisonstart 2015 gab es auch einige Änderungen in der Klasseneinteilung. Diese richtet sich nun nicht mehr nach dem Hubraum der Maschinen, sondern nach der Leistungsstärke der Fahrer. Wieso, weshalb, warum, darüber berichte ich gerne in einem Folgeartikel. Und natürlich auch darüber, ob ich Supermoto fahren mal ausprobieren werde. 🙂