BMW R 12 nineT 2025: Vier Tage Alpentest mit der Heritage-Königin

BMW R 12 nineT 2025 Test

Mein lieber Freund Alex vom Blog Kettenritzel hatte im Juli zum nächsten Alpenblitz geladen und so war ich mit einer Horde wilder Jungs vier Tage mit der BMW R 12 nineT (2025) unterwegs auf Heritage Tour durch Österreich, Slowenien und Italien, über Pässe, Schotter und lange Strecken. Parallel fuhr Alex die G/S-Version und unser lieber Foto- und Videograf Stephan fuhr die R 12.

Geplant waren 1400 Kilometer in vier Tagen durch vier Länder.

NZ6 8604

Der Regen-Härtetest am ersten Tag

Tag eins der R 12 Heritage Tour und direkt das erste Highlight: monsunartige Regenfälle auf unserem Weg aus München auf die Deutschen Alpenstraße. Weil ich meine Klamotten nicht richtig zu hatte, war ich nach den ersten Kilometern ordentlich durchweicht. Ein Freischwimmer-Start mit der brandneuen R 12 nineT.

IMG 6320

Aber genau hier zeigte sich die erste Stärke des Heritage-Bikes: das Vertrauen, das es sofort vermittelt. Der Regenmodus war die perfekte Wahl für diese Bedingungen. Sanftere Gasannahme, angepasste Traktionskontrolle. Das Bike fühlte sich trotz nasser Straßen sicher und kontrollierbar an. Zu keinem Zeitpunkt kam Unsicherheit auf, selbst bei den rutschigen Kopfsteinpflaster-Passagen am Vršič-Pass.

1.400 Kilometer in 4,5 Tagen, vier Länder und während Alex mit der G/S am dritten Tag die Schotterpiste der Panoramica delle Vette rockte (guckst du hier), blieb ich mit der R 12 nineT auf dem Asphalt. Zwei völlig unterschiedliche Motorrad-Konzepte, jedes in seinem Element. Zeit für einen Testbericht jenseits von Werbebroschüren.

Design: Klare Kante ohne Kompromisse

Die R 12 nineT nimmt sich ernst. Kein aufgesetztes Retro-Gedöns, keine künstlichen Patina-Spielereien. Einfach pure Form und Funktion.

Der neue Boxer sitzt perfekt im Rahmen, die Proportionen stimmen.

Ergonomie: 1,86 m und trotzdem entspannt

Mit 1,86 m bin ich nicht gerade klein und trotzdem sitze ich auf der R 12 nineT, als wäre sie für mich gemacht worden. Die Sitzposition ist perfekt: aufrecht genug für Überblick, sportlich genug für die Kurvenjagd, entspannt genug für lange Etappen.

BMW R12 nineT Sitzhöhe

Vier Tage am Stück fahren, täglich 6-8 Stunden im Sattel. Vom Vršič-Pass mit seinen 50 Kehren bis zum anspruchsvollen Monte Zoncolan. Keine Knieprobleme, kein schmerzender Hintern, keine großen Ermüdungserscheinungen. Das liegt an der durchdachten Geometrie von Fußrasten, Lenker und Sitzbank.

Motor: Mein erster Boxer: Liebe auf den ersten Kilometer

Hier kommt das Geständnis: Die R 12 nineT war mein erstes Boxer-Bike. Und was soll ich sagen, die Charakteristik hat mir sofort zugesagt. Der 1.170 cm³ Boxer mit 109 PS ist nicht nur Statistik, sondern pure Persönlichkeit.

Das horizontale Motorlayout bringt eine völlig andere Fahrdynamik mit sich. Das Drehmoment von 115 Nm kommt aus dem Nichts, die Leistungsentfaltung ist linear und vorhersagbar. Ob untertourig durch italienische Bergdörfer oder am Jaufenpass richtig am Gas, der Motor reagiert auf jede Eingabe mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks.

Die Boxer-typische Balance ist sofort spürbar. Weniger Vibrationen als erwartet, dafür eine Laufruhe, die bei langen Etappen Gold wert ist. Dazu kommt der Sound – angenehm rund, ohne aufdringlich zu werden. Die neu konstruierte Abgasanlage liefert genau den richtigen Soundtrack für entspannte Alpentouren: präsent, aber nie penetrant.

Fahrdynamik: Präzision in Perfektion

Während die G/S als Allrounder konzipiert ist, ist die R 12 nineT ein Spezialist für Asphalt. Jede Lenkbewegung wird millimetergenau umgesetzt, jede Kurveneingabe sitzt perfekt.

Auf der Deutschen Alpenstraße am ersten Tag – trotz Dauerregen – folgte das Bike jeder Ideallinie ohne Diskussion. Am zweiten Tag durch das türkisfarbene Soča-Tal mit seinem perfekten Asphalt wurde klar: Die R 12 nineT ist ein chirurgisches Instrument für Kurvenfahrer.

Der tiefere Schwerpunkt macht sich in jedem Bogen bemerkbar. Das Bike kippt nicht in die Kurve, es fließt hinein. Egal ob enge Spitzkehren am Mangart oder schnelle Bögen auf der Roßfeld-Panoramastraße.

Der Quickshifter-Krampf und die butterweiche Kupplung

Ein Problem teilt die R 12 nineT mit ihren R 12-Geschwistern: Der Quickshifter ist unter dem dritten Gang praktisch unbrauchbar. So hakelig, dass ich ihn in den unteren Gängen gar nicht erst betätigt habe.

Für ein Heritage-Bike mit über 18.000 Euro Grundpreis ist das inakzeptabel. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied, die Handkupplung ist butterweich. Vier Tage Pässe ballern, ständiges Kuppeln in den Kehren von Vršič-Pass bis Mangart, und trotzdem null Probleme mit dem Handgelenk.

Beim Runterschalten funktionierte der Schaltautomat übrigens tadellos. Smooth wie Butter, kein Hakeln, kein Ruckeln. BMW kann es also, nur nicht in alle Richtungen gleichzeitig.

Der kurze Tausch mit Alex‘ G/S zeigte: Beide R 12-Modelle sind für Menschen über 1,80 m absolut empfehlenswert. Komplett andere Sitzposition bei der Adventure, aber die Ergonomie stimmt bei beiden. Allerdings sollte man bedenken: Was man im Alltag fährt, beeinflusst den Wohlfühlfaktor enorm. Da ich privat Naked Bike und Rennmaschine fahre, hatte ich mit der sportlicheren nineT-Haltung null Probleme. Shopper-Sitzpositionen machen mir eher zu schaffen als angewinkelte Knie.

Komfort: Leergefahren, aber entspannt

IMG 6406

Nach vier Tagen war ich im Kopf leergefahren und fertig, im positivsten Sinne. Am letzten Tag entschied ich mich zusammen mit Siggi für die direkte Brenner-Route statt Alex‘ spektakuläre Timmelsjoch-Variante. Einfach weil die Batterien leer waren und der direkte Heimweg lockte.

Hier zeigte die R 12 nineT nochmal eine ihrer Stärken: Sie ist auch im Stop-and-Go und in der Stadt ein super angenehmes Bike. Kein Stress, kein Gefummel, einfach entspannt durch den Verkehr gleiten. Die Sitzbank bleibt auch nach 1.400 Kilometern bequem, die Ergonomie stimmt einfach.

Autobahn mit 140 km/h? Kein Problem. Bergstraßen mit ständigen Positionswechseln? Entspannt. Die R 12 nineT ist ein echter Allrounder für alles, was auf Asphalt stattfindet.

Praktische Details: Gepäck und Verbrauch

Meine Gepäcklösung funktionierte tadellos: Eine SW-MOTECH-Tasche mit passenden Gurten auf der Zweisitzer-Sitzbank. BMW bietet übrigens eigene Gepäcklösungen aus der Soulfuel Collection als Sonderzubehör an. Für alle, die das komplette BMW-Paket wollen. Wer’s puristischer mag, kann die R 12 nineT auch als Einsitzer bestellen. Dann wird’s aber mit dem Gepäck schwieriger. Für mehrtägige Touren ist die Zweisitzer-Option die klügere Wahl.

Übrigens hatte mein Testbike das Komfort-Paket verbaut, was unter anderem den Schaltassistent Pro und die Griffheizung umfasst. Man mag meinen, dass ich bei den Temperaturen in den Alpen die Heizung nicht gebraucht habe. Ich war jedoch sehr dankbar, dass ich sie während der Regenpassagen hatte.

Der Verbrauch bewegte sich im moderaten Rahmen und entsprach den BMW-Angaben. Bei unserer Fahrweise – entspannt auf Landstraßen, sportlicher auf Pässen – mussten wir nie ungeplant tanken.

Ausstattung: Weniger ist mehr

Die R 12 nineT verzichtet auf viele elektronische Spielereien und das ist gut so. Weniger Modi bedeuten weniger Verwirrung. Die wichtigsten Einstellungen sind schnell gefunden, das Display übersichtlich und gut ablesbar.

Das analoge Instrumentarium passt zum Heritage-Charakter. Old School, aber funktional. Manchmal ist bewährte Technik eben die bessere Lösung. Das Keyless-Go-System funktioniert tadellos im Gegensatz zu manchen Erfahrungen mit anderen Marken, die ich da schon machen musste.

Grenzen der Spezialisierung

Was am dritten Tag deutlich wurde: Die R 12 nineT ist kein Kompromiss-Bike. Während Alex mit der G/S die 5-7 km Schotterpiste der Panoramica delle Vette fuhr, wählte ich die asphaltierte Monte Zoncolan-Route mit bis zu 22 Prozent Steigung.

Das war die richtige Entscheidung. Die R 12 nineT hätte das sicher auch gepackt, ist aber eher für Asphalt optimiert und sollte dort bleiben. Wer auch ins Gelände will, ist mit der G/S besser bedient. Aber wer weiß, dass er auf der Straße bleibt, bekommt hier das perfekte Werkzeug.

Preis-Leistung: Teuer, aber gerechtfertigt

18.000 Euro aufwärts sind kein Schnäppchen. Aber für das Geld bekommt man ein Motorrad, das in seiner Klasse Maßstäbe setzt. Design, Fahrleistungen, Komfort, alles stimmt. Der Preis ist hoch, aber bei der gebotenen Qualität gerechtfertigt.

Fazit: Die Heritage-Königin

Die BMW R 12 nineT ist das Heritage-Bike, auf das Puristen gewartet haben. Sie macht alles richtig: aussehen, fahren, begeistern. Während die G/S als vielseitiges Adventure-Tool brilliert, ist die R 12 nineT ein Spezialist für Straßengenuss.

Wer ein Motorrad für perfekte Alpenpässe und entspannte Landstraßentouren sucht, findet hier sein Match. Die R 12 nineT ist kein Allrounder, sie ist ein Meisterwerk für das, was sie am besten kann: Kurven fressen auf Asphalt.

Einziges Manko: Der Quickshifter in den unteren Gängen. Aber mal ehrlich, wer eine R 12 nineT kauft, kann auch von Hand schalten. Und sollte es auch.

Bewertung: 9/10

Die BMW R 12 nineT ist nicht perfekt, aber verdammt nah dran. Ein Motorrad für Menschen, die wissen, was sie wollen: pure Straßenperformance ohne Kompromisse.

Die BMW R 12 nineT wurde uns von BMW Motorrad für die R12 Heritage Tour zur Verfügung gestellt. Die Fotos sind von dem wunderbaren Stephan Schaar.

Sharing is caring

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner