In diesem Artikel
1.804 Kilometer. Hitzestau bei 40°C. Alpenstraßen bis zum Anschlag. Die Royal Enfield Bear 650 sollte beweisen, ob sie mehr kann als nur gut aussehen.
Erste Eindrücke: Wie heimkommen

Schon beim ersten Aufsitzen fühlt sich die Bear richtig an. Die 830 mm Sitzhöhe wirken nicht einschüchternd, sondern ehrlich. Mit 1,86 m sitzt du aufrecht, Kniewinkel passt, die Arme fallen gut auf den Lenker. Alles wirkt vertraut.
Das Gewicht? Spätestens beim ersten Anrollen vergessen. Die Balance ist top, das Bike wirkt handlicher als es auf dem Papier aussieht. Wendekreis klein, Kupplung leicht, Gas dosierbar. Alltag? Kann sie.
590 km Vollgas: Der Härtetest
590 Kilometer am Stück. Neukirchen am Großvenediger bis Bad Camberg. Einer der heißesten Tage des Jahres. Das ist kein Instagram-Testritt, das ist Realität.
Die Bear hält mit. Locker. Zwei Stunden non-stop? Kein Problem. Die aufrechte Sitzposition bleibt komfortabel, zwischendurch aufstehen funktioniert ohne Akrobatik-Einlage. Das Bike ist so gut ausbalanciert, dass du auch einhändig fahren kannst, ohne dass es dir wegkibbelt.
Aber: Ab 140 km/h wird’s ungemütlich. Sie packt auch die 160, wird aber ab 130/140 etwas schwammig auf dem Hinterrad. Für Naked-Verhältnisse völlig normal. Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 120/130 km/h ist problemlos machbar – wenn du mit dem fehlenden Windschutz klarkommst.
Notfall-Aerodynamik: Füße gegen die Sozius-Fußrasten, auf den Tank gelehnt. Überraschend bequem und lange aushaltbar.
Verbrauch: Bei gemäßigtem Fahren 4-5L/100km. Bei Vollgas-Autobahn bei 40°C Außentemperatur waren’s schon mal mehr. Rechne realistisch mit 300-350km Reichweite.
Hitze & Stau: Cool bleiben
Das Extremszenario: 40°C Asphalttemperatur, stundenlange Autobahn, Stop-and-Go im Stau. Wie verhält sich ein luftgekühlter Twin?
Antwort: Entspannt. Der Motor bleibt gleichmäßig, auch die Sozius-Fußrasten (die sehr nah am Auspuff sind) werden nicht zur Hitzefalle. Die Kupplung bleibt soft und griffig, kein Hakeln, kein Drama. Der Twin zeigt hier seine Stärke: Er ist robust gebaut und nimmt dir Hitze nicht übel.


Alpenstraßen & Bergfahrten: Hier glänzt die Bear
Schmale Bergstraßen, Serpentinen, ruckelige Strecken – das ist das Revier der Bear 650. Die 47 PS reichen in 90% aller Situationen absolut aus. Klar, das eine oder andere Überholmanöver lässt du aus Sicherheitsgründen bleiben, aber das ist verschmerzbar.
Das Handling ist für 216 kg überraschend agil. Die Federung schluckt Schlaglöcher und Bodenwellen zuverlässig weg, die Balance stimmt. Es macht schlicht Spaß, mit der Bear zu spielen. Die Bremsen greifen zuverlässig zu, Fading-Probleme? Bei normaler Fahrweise nicht existent.
Schotter & leichte Trails: Grenzen kennen
Die Bear ist kein Enduro-Bike. Das vergisst du schnell, wenn du die 184mm Bodenfreiheit und die klobigen MRF-Reifen siehst. Aber: Auf well-maintained Schotterpisten und Forstwegen macht sie eine gute Figur.
Mit ihren 184 mm Bodenfreiheit und dem aufrechten Setup kann die Bear mehr als nur Asphalt. Leichte Trails, Forstwege, Schotterstraßen? Macht sie locker mit. Aber: Sobald’s wirklich technisch wird, merkt man die 216 kg. Und das Fahrwerk ist eher für die Straße gemacht.
Wer will, kann mit ihr campen, an entlegene Orte fahren, ein bisschen Abenteuer tanken. Nur: Cross-Einsätze sind nicht ihr Ding.


Motor & Getriebe: Das Herz der Bear
Der 648ccm Twin ist ein Charakterkopf. Kein aggressiver Sportmotor, sondern ein gutmütiger Arbeiter mit Charme. Das Drehmoment liegt schön früh an (56,5 Nm bei 5.150 U/min), die Gasannahme ist direkt und vorhersagbar.
Die Schaltung? Butterweich. Sechs Gänge, die sich präzise einlegen lassen. Der Sound ist authentisch Royal Enfield, nicht zu laut, nicht zu leise, sondern genau richtig charaktervoll.
Alltagstauglichkeit: Mehr als erwartet
TFT-Display: Das runde Tripper-Dash bietet genau das, was du brauchst. Google Maps, USB-C Ladebuchse, intuitive Bedienung über die Lenkeinheit. Kein Overengineering, einfach funktional.
Beifahrer: Funktioniert überraschend gut. Der Sozius-Sitz ist nicht nur Deko, auch längere Strecken sind machbar.
Gepäck: SW-Motech Drybag mit 35 Litern? Kein Problem. Die verstärkte Rahmenstruktur macht’s möglich.

Petrol Green: Ein Statement
Endlich mal keine Standard-Farben! Das Petrol Green ist ein Hingucker – nicht zu schrill, nicht zu langweilig. Das Bike fällt auf, ohne aufdringlich zu sein. Die Lackqualität überzeugt, alle Bedienelemente wirken wertig und passend zum Scrambler-Stil.

Was überrascht, was nervt
Überraschung: Die unfassbare Vielseitigkeit. Ich hätte der Bear nicht zugetraut, dass sie Long-Distance genauso gut kann wie Bergstraßen-Carving oder leichte Off-Road-Ausflüge.
Nervfaktor: Allenfalls renitente Radfahrer, die wie ein Rudel Rehe auf der Straße rumhängen. Am Bike selbst? Nichts.
Die Bear 650 ist wie Charlize Theron
Schön, stark, tough. Nicht überkandidelt, aber selbstbewusst. Vielseitig, charmant, mit Biss. Du kannst mit ihr elegant durch die Stadt cruisen oder mit staubiger Hose den Berg runterbrettern. Und beides sieht gut aus.
Für wen ist die Bear perfekt?
Für Menschen, die mehr suchen als ein nettes Style-Objekt für die Eisdiele. Die Bear kann viel mehr und sollte artgerecht gehalten werden. Wer einen charaktervollen Allrounder will, der Straße, Schotter, lange Reisen und kurze Etappen gleichermaßen beherrscht, hier ist er.
Wer sollte die Finger davon lassen?
Leggings-Influencerinnen, die nur Fotoshooting-Material suchen. Die Bear will bewegt werden. GS-Günther wird auch nicht glücklich, die Warnweste würde sich mit dem tollen Petrol Green beißen. Und wer ernsthaft Off-Road will, greift zur Himalayan.
Technische Daten im Überblick
Motor | 648 ccm Parallel-Twin, luftgekühlt |
Leistung | 47 PS bei 7.250 U/min |
Drehmoment | 56,5 Nm bei 5.150 U/min |
Getriebe | 6-Gang, Kette |
Gewicht | 216 kg (fahrfertig) |
Sitzhöhe | 830 mm |
Tankinhalt | 13,7 Liter |
Federweg | 5,1″ vorne, 4,5″ hinten |
Bodenfreiheit | 184 mm |
Reifen | 100/90-19 / 140/80-17 |
Preis | 7.640 € (Petrol Green) |
Testdistanz: 1.804 km | Einsatzgebiete: Autobahn, Alpenstraßen, Schotterpisten, Stadt | Testfahrer: 1,86m, 80 kg | Zeitraum: Club of Newchurch Trip + Österreich-Tour












Unser Fazit: Sofortkauf!
7.640 € für diesen Mix aus Retro, Technik, Charakter und Alltagstauglichkeit? Nimm zwei.
Die Bear ist kein Kompromiss, sondern eine bewusste Entscheidung für Authentizität, Charakter und echte Motorrad-Erlebnisse. Sie sieht nicht nur gut aus, sie liefert auch ab. Nach 1.804 Kilometern bleibt nur ein Fazit:
Wir sind verliebt. Schon wieder.
Was denkst du über die Bear 650? Schreib uns deine Meinung in die Kommentare oder teil deinen Royal Enfield Wahnsinn auf Instagram. Wir sind neugierig auf deine Stories!
Die Bear 650 ist ab sofort bei Royal Enfield Händlern verfügbar. Alle anderen Farbvarianten: Golden Shadow (7.790€), Two Four Nine (7.890€).